Rückblick: Kein Tiefseebergbau! – Speakers-Tour mit Gästen aus Papua-Neuguinea

In Papua-Neuguinea steht das weltweit erste kommerzielle Projekt im Tiefseebergbau –  „Solwara 1“ – kurz vor dem Start: ein Einstiegsprojekt und Türöffner für den globalen Raubbau an der Tiefsee. Zugleich ist die geplante Mine vor der Küste Neuirlands ein Symbol für die imperiale, zerstörerische und ungerechte Wirtschaftsweise der Industrieländer. Zwei Akteure der vielfältigen Proteste in Papua-Neuguinea waren im Herbst auf Rundreise in Europa.

„Wie viel mehr wollt ihr noch? Gibt es ein Ende eures endlosen Verlangens nach mehr?“ Diese Fragen stellten Christina Tony, Kampagnenkoordinatorin bei der Bismarck-Ramu-Group (BRG) und Reverend Roger Joseph, Generalsekretär des Nationalen Kirchenrats von Papua-Neuguinea, ihren Gegenübern in acht Städten immer wieder – und sorgten damit bewusst und gewollt für innere Unruhe und Beklommenheit. Denn beide klagten im Rahmen ihrer Rundreise eindringlich an, dass das Wirtschafts- und Wohlstandsmodell der Industrieländer, ihr immenser Rohstoffhunger und ihr Überfluss negative Auswirkungen hat auf die Lebenswirklichkeiten der Menschen in anderen Teilen der Welt – in diesem Fall in Ozeanien. Oder, anders gesagt: Luxus in den Industrieländern vs. zerstörte Lebensgrundlagen in Papua-Neuguinea. Christina Tony, die Aktivistin auf grass-roots-Ebene, und Reverend Roger Joseph, der als Vorsitzender des Kirchenrats mehr als sechs Millionen Christinnen und Christen in Papua-Neuguinea vertritt, brachten ein klares Statement mit: Nein zum experimentellen Tiefseebergbau, Nein zu „Solwara 1“!

In den Ozeanen lagern am Meeresgrund große Mengen wertvoller Rohstoffe. Industrie und Politik versprechen sich davon, den zukünftigen Rohstoffbedarf für neue und alte Technologien preisgünstig zu decken. Statt auf Recycling, Suffizienz und Nachhaltigkeit zu setzen, wird in Kauf genommen, die wenig erforschte und einzigartige Tiefseeökologie langfristig zu schädigen. Auch wenn international derzeit ein Regelwerk zum Abbau der Tiefseemineralien verhandelt wird, gibt es weltweit enorme Bedenken, das Risiko überhaupt einzugehen.

Ohne diese Entscheidung über Regelungen abzuwarten, will sich das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals im Südpazifik eine führende Stellung bei der Einführung des neuen Industriesektors sichern. Bereits 2019 plant das Unternehmen, in den Gewässern der Bismarcksee vor Papua-Neuguinea das weltweit erste kommerzielle Tiefseebergbau-Projekt mit dem Namen Solwara 1 zu starten. Vor Ort hat das zu breiten Protesten in den betroffenen Küstengemeinden geführt. Negative Auswirkungen auf die Küstenökosysteme und auf die Fischgründe, die für die Ernährung der Bevölkerung unverzichtbar sind, werden befürchtet.

Im Rahmen einer Rundreise kamen Vertreter und Vertreterinnen von Partnerorganisationen von Brot für die Welt aus dem Pazifik nach Deutschland, um auf das Thema Tiefseebergbau und den Widerstand vor Ort aufmerksam zu machen.

 

Unsere Gäste aus Papua-Neuguinea waren

Christina Tony, Kampagnenkoordinatorin der Bismarck Ramu Group, Papua-Neuguinea

https://www.bismarckramu.org/

Rev. Roger Joseph, Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates von Papua-Neuguinea

https://www.oikoumene.org/en/member-churches/pacific/papua-new-guinea/pngcc

 

Organisiert wurde die Tour, die uns und unsere Gäste nach

Berlin – Kiel – Brüssel- Venedig- Hamburg – Bremen – Köln – Frankfurt

führte, gemeinsam von

Brot für die Welt, Forum Umwelt und Entwicklung, Misereor, Fair Oceans, PowerShift, BUND, Pazifik-Netzwerk, Stiftung Asienhaus, Heinrich-Böll-Stiftung und Ozeanien-Dialog.

 

Den Auftakt der Tour bildeten Gespräche mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Berlin. Hierzu gehörten ein Fachgespräch zu Tiefseebergbau im Deutschen Bundestag, die Vorstellung der neuen Solwara 1 – Studie von Brot für die Welt und Fair Oceans sowie zivilgesellschaftlicher Austausch zu den Themen Rohstoffpolitik und Umweltschutz.

So waren die Konsequenzen und aktuellen Entwicklungen des Tiefseebergbaus Thema des Öffentlichen Fachgesprächs der grünen Bundestagsfraktion am 24.09.18. im Bundestag. Steffi Lemke (Sprecherin für Natur- und Meeresschutz) der Grünen Bundestagsfraktion und ihre Kollegin Claudia Müller
(Sp
recherin für maritime Wirtschaft) luden Gäste von Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden ein, um die Debatte auch im parlamentarischen Raum zu führen. Unsere Gäste Christina Tony und Reverend Jospeh Rodger berichteten von ihren Kämpfen gegen den experimentellen Tiefseebergbau und das Projekt Solwara 1 entlang der Bismarck See.

Eindrücke vom Fachgespräch, eine Reihe von Bildern, Videos sowie die Präsentationen aller Referent/innen finden sich auf der Homepage von Steffi Lemke, MdB, Bündnis 90/Die Grünen.

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„If we cannot do it (Deep Sea Mining) safe and sustainable, we will not do it at all“

Johannes Post (Deep Sea Mining Alliance e.V.), 24.09.2018

 

Brot für die Welt und Fair Oceans veröffentlichten im Rahmen der Tour ihre umfangreiche Studie Solwara 1 – Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea. Hintergründe, Folgen, Widerstand. 
Dieser neue Bericht über die Bedrohungen des kommerziellen Meeresbodenbergbaus in Papua-Neuguinea zeigt die Gefahren dieses Großprojektes auf. Wissenschaft, lokale Bevölkerung und internationale Zivilgesellschaft kommen in der Studie zu Wort und warnen vor den Folgen.

Brot für die Welt lud im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Im Brennpunkt“ in Kooperation mit Fair Oceans und dem Forum Umwelt und Entwicklung zu einer öffentlichen Diskussion am 25.09.18 über den Tiefseebergbau ein. Hier wurde die genannte Studie vorgestellt.
Gesprächspartner aus dem Pazifik und Deutschland diskutierten die unterschiedlichen Facetten des Tiefseebergbaus und die Situation in Papua-Neuguinea.

Mit unseren pazifischen Gästen diskutierten

Prof. Dr. Andrea Koschinsky, Professorin für Geowissenschaften an der Jacobs University Bremen

Norbert Brackmann, MdB, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft

Michael Jarowinsky, Geschäftsführer der Deep Sea Mining Alliance

Dr. Laura Spengler, Expertin für Umweltpolitik und umweltverträgliche Produkte beim Institut für Politik und Ökologie

Francisco Mari, Brot für die Welt, Referent Meerespolitik und Agrarhandel

 

Ein absolutes Highlight der Speakers-Tour war Teilnahme unserer pazifischen Gäste an der TBA21–Academy in Venedig.
Für ein Kunstprojekt, das sich mit dem Verhältnis zwischen Menschen und dem Meer beschäftigt,  reiste der Künstler Armin Linke unter anderem nach Papua-Neuguinea. Dort traf er auch auf Christina Tony und viele andere Aktivist/innen, die sich gegen experimentellen Tiefseebergbau einsetzen. Diese Stimmen bekamen durch die künstlerische Aufbereitung und die Beiträge von Christina Tony und Rev. Roger im Rahmen der Finissage in Venedig eine ganz besondere Plattform.

 

Der Besuch in Bremen am 2. Oktober begann im Bremer Marum, Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, einem der weltweit bedeutendsten Meeresforschungsinstitute. Christina Tony, Bismark Ramu Group, nahm gemeinsam mit Vertreter/innen von fairs oceans, des Ozeanien-Dialogs und des IASS Potsdam an einer kurzen Führung durch die Abteilung der maritimen Technologien teil. Nachdem die meerestechnischen Großgeräte wie ein ferngesteuertes Meeresbodenbohrgerät und ein Tauchroboter besichtigt wurden, konnte die Gruppe mit dem Direktor des Instituts und der Leitung des Bereichs maritime Technologien ins Gespräch kommen. Während des Gesprächs wurde die Beteiligung von Observern des Unternehmens Nautilus Minerals bei einer Forschungsfahrt des Forschungszentrums in die Bismarcksee, dem Gebiet in dem Solwara-1 liegt,  sowie die Bereitstellung von Expeditionsdaten an Nautilus kontrovers diskutiert.

 

Buten und Binnen Bremen, das Regionalmagazin der Hansestadt, griff den Besuch von Christina Tony auf und interviewte sie im Bremer Überseemuseum zu ihrer Perspektive auf Tiefseebergbau, dem Protest in Papua-Neuguinea und ihrem Besuch in Europa. Der Beitrag Bergbau in der Tiefsee ist auf Youtube zu finden.

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Am Nachmittag hatte fair oceans zu einem offenen, interdisziplinären Fachgespräch zum Tiefseebergbau am Beispiel des Projekts Solwara 1 ins Haus der Wissenschaft Bremen geladen. Die Veranstaltung war sehr gut besucht und es wurde lebhaft diskutiert. Von anwesenden Wissenschaftler/innen wurde die Bedeutung von wirksamen Regularien beim künftigen Tiefseebergbau betont. Auch wurde vorgeschlagen, den Tiefseebergbau als ökonomische Chance zu sehen, die der Fischerei folgen könnte, wenn die Fischbestände durch nicht nachhaltige Bewirtschaftung minimiert seien. Christina Tony konterte, dass aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Landbergbau in Papua-Neuguinea und den bisherigen Aktivitäten hinsichtlich des geplanten Tiefseebergbaus Hoffnungen auf eine faire und wirksame Regulierung des Tiefseebergbaus aussichtslos wären. Zudem sei ein großer Fischreichtum vorhanden. Sie mahnte auch die Gier und den nicht enden wollenden Hunger Deutschlands nach immer mehr Ressourcen an.

Am Abend fand eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung im Bremer Überseemuseum statt. Auf dem Podium waren neben Christina Tony, Kai Kaschinski von fair oceans sowie zwei Vertreter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover vertreten. Die Moderation übernahm Dr. Christoph Speer von fair oceans. Von Seiten der BGR wurden in zwei Vorträgen die Chancen des Tiefseebergbaus für die Rohstoffsicherheit und Diversität der deutschen Bezugsquellen mineralischer Rohstoffe betont.

Mit weiteren öffentlichen Abendveranstaltungen in Hamburg, gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, im Rahmen der Deutschen Naturschutztages (DNT) in Kiel, im
Weltkulturen Museum Frankfurt am Main
sowie im Asienhaus Köln, dort mit einem besonderen Blick auf die Rolle Chinas, konnten wir die Bedrohung durch Tiefseebergbau in Papua-Neuguinea bekannter machen, unsere Gäste zu Wort kommen lassen, Solidarität aufbauen und Unterstützer/innen für unsere Forderung – Kein Tiefseebergbau im Pazifik! – gewinnen.

 

Christina Tony und Rev. Roger Joseph haben im Rahmen der Speakers-Tour immer wieder deutlich gemacht, dass unmittelbare Gefahren für Ernährungssicherheit und lokale Entwicklung in Papua-Neuguinea die Rückseite eines nach wie vor kaum gebremsten Ressourcenverbrauchs in den Industriestaaten ist.
Mit dieser Ungerechtigkeit finden sich beide nicht ab. Und mit ihnen viele Gemeinden, Nichtregierungsorganisationen und Kirchen entlang der Bismarck-See und im gesamten Pazifik.
Von ihrem lauten Widerstand und kreativen Kampagnen ist es abhängig, ob Solwara 1 und damit der beschleunigte Einstieg in den Meeresbodenbergbau gestoppt werden kann. Hierfür brauchen sie internationale Unterstützung vor allem aus den Ländern, aus denen das Kapital, die Technologien und der überhöhte Ressourcenverbrauch kommen, ohne die dieses erste MeeresbergbauProjekt nicht stattfinden würde. Für diese Unterstützung und Solidarität aus Europa war die Speakers-Tour ein wichtiger Schritt – weitere müssen folgen.

 

Weitere Informationen:

Positionspapier: Nein zum Raubbau an der Tiefsee!

Tiefseebergbau-Bedrohung für Meere und Bevölkerung – Blogeintrag von Francisco Mari, Brot für die Welt

PNG Council of Churches call for a total ban on Seabed Mining

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